Eines Morgens bemerkte der achtjährige Junge L., dass sein Radiokabel fehlte. Er geriet in Not. L. ging davon aus, dass jemand in der Nacht in seinem Zimmer gewesen sein müsste, als er schlief. War ein Monster unter seinem Bett? Ist sein Zimmer sicher? Solche und andere Fragen stellte er sich. Am Folgetag beschrieben ihn die Mitarbeitenden als sehr dünnhäutig. Es kam zu Situationen, in denen er sich bedrohlich gegenüber Dritten verhielt. Von dem Radiokabel wusste niemand.
Anfang der nächsten Woche nahm sich seine Bezugsperson Zeit für ihn. Sie ging mit L. spazieren und fragte nach, was ihn so beschäftigt und warum es zu Grenzverletzungen gegenüber einer Mitarbeiterin kam. Der kleine Junge erzählte von seiner Not und seinem verschwundenen Radiokabel.
Seine Bezugsperson nahm sich seiner Not an und befragte die Kinder der Wohngruppe. Es stellte sich heraus, dass ein Mädchen sich das Kabel «ausleihen» wollte. Es entfernte das Kabel von seinem Radio, ohne L. davor zu fragen. Als das Mädchen verstand, was dies bei L. ausgelöst hatte, reagierte sie betroffen. Sie entschuldigte sich dafür und war bemüht, es wieder gutzumachen.
Gemeinsam mit seiner Bezugsperson erarbeitete L. ein Türschild, auf dem geschrieben stand, dass sein Zimmer ohne seine Zustimmung nicht betreten werden darf (auch in der Nacht). Dies wurde an einer Gruppensitzung vor allen Kindern öffentlich gemacht.
In den Folgetagen ging es L. deutlich besser und er konnte einschlafen, ohne weiter an ein «Monster zu denken, das in der Nacht Radiokabel stiehlt».
P. Eisenhut, WG-Schwalbe